eyeq.wordpress


Juli Zeh___Spieltrieb
November 3, 2007, 3:28 pm
Filed under: books

Ich wollte ja eins der Bücher von Juli Zeh lesen, bis jetzt aber keine Zeit gehabt und so hab ich mir ein Hörbuch angehört. Und zwar Spieltrieb, gelesen von Sascha Icks.

Die Stimme gefällt mir und sie passt gut zum Roman. Für solch schwere Literatur (oder bin ich zu blöd langsam?) liest Sascha Icks aber zu schnell. Das ist auch einer der Nachteile von Hörbüchern, in Gedanken ist man noch beim letzten Satz, da kommt schon der nächste. So hab ich also nur etwa die Hälfte des Romans mitbekommen, selbst beim zweiten Hören noch längst nicht alles.
Insgesamt kann ich schon sagen, dass mir der Roman gefällt. Gekonnt jongliert Juli Zeh darin mit der Sprache. Sie ist sozusagen ein Genie der Sprache, was sich aber schlussendlich negativ auswirkt, denn sie will dies allen zeigen und wirkt dadurch zu verkrampft. Warum etwas kompliziert machen, wenn es auch einfacher geht. Der übermässige Metapherngebrauch nervt einfach irgendwann. Das nimmt dann schon mal grimassenhafte Züge an. Weniger wäre hier mehr gewesen.
Mit den nihilistischen Protagonisten konnte ich mich auch nicht so recht identifizieren, da mir eine solche Weltanschauung einfach zu fremd ist. Auch da hat Juli Zeh m.E. ein bisschen dick aufgetragen; zuviel Philosophie, zuwenig fliessende Story. Ich hab mich eigentlich auf ein Lesevergnügen gefreut, musste mich aber mit Theorien, die mich nicht mal interessieren, rumschlagen.
Nicht mein Lieblingsbuch. Adler und Engel, ihren gelobten Debutroman werd ich wohl trotzdem noch lesen. Um mit mit einer Metapher zu enden und ihr somit gerecht zu werden: Juli Zeh ist wie ein Süsswarenladen, ein paar Häppchen davon sind einfach köstlich, …aber bloss nicht zuviel auf einmal.



Middlesex
Oktober 19, 2007, 10:10 am
Filed under: books

middle.jpg

Middlesex von Jeffrey Eugenides – Kurzzusammenfassung
1920, Desdemona und ihr Bruder Eleutherios „Lefty“ leben nach dem Tod ihrer Eltern allein in einem winzig kleinen griechisch-türkischen Dorf. Da sie jetzt nur noch einander haben, entwickelt sich zwischen ihnen ein sehr inniges Verhältnis. In dem ausgestorbenen Dorf leben neben Desdemona leider nur noch zwei weitere heiratsfähige Frauen. Eine mit Schnurrbart, die andere mit unangenehmem Geruch, wahrscheinlich wäre sonst alles anders gekommen. Als 1922 der griechisch-türkische Krieg ausbricht, ist die Bevölkerung zur Flucht gezwungen, eine einmalige Gelegenheit sich neu zu inszenieren. Von niemandem erkannt, werden sie so auf dem Überseeschiff nach Amerika zum Liebespaar. Desdemonas Gedanke: „Ein normales Paar lernt sich kennen, wir müssen erst lernen uns fremd zu sein.“ In Amerika, Detroit angekommen, folgt der Einzug bei Cousine Sourmelina. Sie kennt die beiden von früher, und ist somit die einzige, die das Geheimnis kennt. Lina aber emigrierte nach Amerika, da sie selbst etwas zu verheimlichen hatte, sie ist lesbisch.
Lefty wird Fliessband Fabrikarbeiter in der Autostadt Detroit, bei Ford, wird Zeuge der klassischen amerikanischen Geschichte. Später arbeitslos, eröffnet er in der Zeit der Prohibition eine Bar. Ebenfalls klassisch.
„Die Priester sagen, man darf seine Geschwister nicht heiraten.“ Die beiden haben trotzdem zwei Kinder, Milton und Zoë. Entgegen Desdemonas Befürchtungen sind diese aber gesund. Nach der Geburt lässt sie sich dennoch sterilisieren. Nachwuchs bekommt auch Cousine Lina, eine Tochter, Tessie. Die Zeit vergeht, und die Spirale dieser Saga dreht sich unaufhörlich weiter. Die Kinder sind bereits im Teenageralter, da bekundet Milton, zum Schrecken seiner Mutter, Interesse an seiner Cou-Cousine Tessie. „Nicht schon wieder, doppelter Inzest!“
Schöne Momente zwischen den beiden sind deren erste erotische Erlebnisse, als Milti ihr die Klarinette auf den Bauch drückt und spielt und sie so die Töne in ihrem Körper vibrieren spürt. Sie verlieben sich ineinander. Da Desdemona glaubt, dass Milton, der inzwischen im zweiten Weltkrieg weilt, nicht zurückkehren werde, gibt sie einer Heirat ihren Segen. Er aber bleibt unversehrt und kehrt zurück.
Somit sind wir nun schon tief in dieser Familiensaga drin angelangt und nähern uns der eigentlichen Hauptperson, Miltis und Tessies Tochter Calliope alias „Callie“ alias „Cal“.
— „Es ist ein Mädchen!“ 1960 war Dr. Philobosian vierundsiebzig. Er zählte meine Finger und Zehen. Er überprüfte mein Gesäss auf einen Sakralfortsatz. Dann drehte er mich wieder auf den Rücken, ergriff meine beiden krummen Beine und zog sie auseinander. Was sah er da? Die saubere Salzwassermuschel der weiblichen Genitalien. Die Gegend entzündet, von Hormonen angeschwollen. Das Pavianmässige, das alle Babys haben. Dr. Philobosian hätte die Falten auseinander ziehen müssen um besser zu sehen, doch er tat es nicht.—
Was Menschen vergessen haben, daran erinnern sich nun die Zellen. Callie leidet an 5-alpha reductase deficiency, „sie“ wird als Pseudo-Hermaphrodit geboren. Ein Junge im Körper eines Mädchens. Halb Vagina, halb Penis. Beim Kinde noch unbemerkt, sowohl von den Eltern, als auch von ihr, wird sie es erst im „Frühling“ ihres Lebens spüren, als der „Krokus“ zu spriessen beginnt.
1967, Rassenunruhen in Detroit, Panzer fahren auf der Strasse. Krieg. Während der Unruhen geht die Bar in Flammen auf, die Milton von seinem Vater geerbt hatte, die Versicherung zahlt. So kommen sie zu einem hübschen Sümmchen Geld. Die Familie zieht in die „Middlesex“, ein mondäne, grosse Villa, das neue Zuhause. — „Es ist schon unanständig das zu sagen, aber die Krawalle waren das Beste, das uns je widerfahren ist.“—
Callie ist eigentlich ein glückliches, gesundes und schönes Kind. Erst als sie in die Pubertät kommt, und die Mädchen um sie herum alle zu mutieren beginnen, schöpft sie Verdacht. Brüste und Menstruation lassen auf sich warten. „Denkst du noch an mich“, sagt sie zur Natur. „Ich warte, ich bin auch noch da.“ Komplikationen sind vorprogrammiert, allerdings bemerkt niemand etwas. Sie schämt sich. Die Monatsblutung wird vorgetäuscht, der Büstenhalter ausgestopft.
Frühlingsgefühle. In der Schule lernt sie ein Mädchen kennen, von ihr nach Bunuels Film das „obskure Objekt“ genannt. Während eines Ferienlagers kommen sie sich schliesslich näher und erleben erstmals, und auf ungewöhnliche Art Sexualität. Insgeheim natürlich, das „Objekt“ sagt „Warum kannst du nicht einfach ein Junge sein.“ Das Unausweichliche geschieht. Bei einem Streit mit dem Bruder des „Objekts“ erleidet Callie einen Verkehrsunfall. Das „obskure Objekt“ fährt noch mit der Ambulanz mit, händchenhaltend sehen sie sich aber zum letzten mal. Im Krankenhaus ist schliesslich Endstation mit dem Versteckpiel. Was der senile Hausarzt der Familie über Jahre nicht bemerkt hatte, wird hier offenkundig – Callie ist kein Mädchen. Die Eltern sind besorgt. Der spektakuläre Fall wird an Sex-Spezialist Dr. Luce in New York weitergeleitet. Soziokulturell sehr interessant. Ein Junge, der als Mädchen aufgewachsen ist. In vielen Befragungen, bei denen Callie aber oft lügt, wird ermittelt, dass sie aufgrund der Sozialisierung eigentlich doch ein Mädchen ist. Natürlich ein etwas anderes Mädchen. Alles OK also, die Eltern atmen auf, die Welt scheint wieder etwas in Ordnung. Nur Callie weiss es eben besser. Kurz vor einer Operation, die sie endgültig zur Frau machen sollte, beschliesst sie auszureissen. Sie nennt sich jetzt Cal, und gibt sich fortan als Junge aus. Auf ins Mekka der Schwulen, auf nach San Francisco. Zuerst schlägt er sich auf der Strasse durch, lebt im Park, aber als ihm das alles zuviel wird, ergreift er ein, zuerst von ihm abgelehntes, Angebot eines Nachtclubbesitzers. „Hereinspaziert, hereinspaziert, das haben sie noch nie gesehen.“ In einer Freak-Peep-Show verdingt er sich als zweigeschlechtliche Badenixe. Tessie und Milti lieben ihre „Tochter“ und sind sehr besorgt. Milti sieht seine Lebensaufgabe nun darin, seine Tochter wiederzufinden.

Tja, wird er sie wiederfinden? Ich weiss es, kann hier aber trotzdem nicht weitererzählen, da ich die Geschichte nur noch in Fragmenten vor mir sehe. Das rührt daher, dass ich diesen Text bis zu dieser Stelle schon vor einiger Zeit geschrieben habe, aber dann damit aufgehört habe. Soviel weiss ich noch, das Buch ist sehr lang, eine Familiensaga, und es ist sehr gut. Der Autor hat damit den Pulitzer Preis gewonnen. Viel Spass :-)



Möglichkeit einer Insel
Oktober 14, 2007, 7:28 pm
Filed under: books

houellebecq-415.jpg
Photo von demimismo

Kürzlich gelesen : Die Möglichkeit einer Insel von Michel Houellebecq/Uli Wittmann / Verlag: Rowohlt Tb.
Nach den Klimakatastrophen verbleiben in dieser Welt nur noch abgekapselt lebende, gefühlslose und asexuelle Neo-Menschen, und blutrünstige, primitive Wilde. Eine schreckliche Vision. Einer dieser Neo-Menschen ist Daniel 25, die fünfundzwanzigste Klon-Version von Daniel 1, der rund 2000 Jahre zuvor lebte. Zwischen diesen beiden Zeitebenen wechselnd erzählt Houellebecq die Geschichten der beiden Daniels, wobei ich die von Daniel 1, der im Frankreich der Gegenwart lebt, für die spannendere halte. Daniel 1 ist von Beruf zwar Komiker, sein Leben aber ist einfach nur noch bitter und traurig, wahrlich ein sehr, sehr kranker Zeitgenosse. Mit der Gegenwart rechnet Houellebecq also gnadenlos ab, diese Gegenwart ist seines Erachtens nämlich der Anfang einer ziemlich unheilvollen Zukunft. Wuchtig, radikal und atmosphärisch dicht empfand ich den literarischen Stil Houellebecqs, ein wahres Lesevergnügen. Houellebecq ist schon ein guter Beobachter, ob die Welt dann aber tatsächlich so schlecht ist, darüber lässt sich streiten.
Alles in Allem aber ein super SciFi-Roman der thematisch an Werke wie George Orwells „1984“, und Aldous Huxleys „Schöne neue Welt“ anknüpft.



Politix und Anne Frank
Oktober 5, 2007, 1:39 am
Filed under: books, stories

Im Karikaturenstreit aus dem Jahre 2006 zwischen Muslimen, Christen und Juden, zeigt eine Karikatur aus dem Iran eine Anne Frank, welche sich im Bett mit Hitler vergnügt. Es ist das Bild einer den verdorbenen Westen symbolisierenden Anne Frank. Ein Westen, in dem ein Menschenleben individuell ist, vielleicht auch egoistisch, sexuelle Freiheit herrscht, Minderheiten nicht unterdrückt werden…und, ja, es nicht nur ums Überleben geht. Nichts gegen fundamentalistische, muslimische Länder :-) , aber ich denke, dass Meinungsfreiheit, Fortschritt, materieller Wohlstand und Bildung dann diese Hitzköpfe doch besänftigen würde. Als Vergleich ziehe man nur die christliche, abendländische Kultur von ihrer Enstehung über das Mittelalter bis jetzt herbei. Auch wir waren ein patriarchisches Volk von Unterdrückern und Hexenverbrennern. Noch ist hier bestimmt nichts perfekt, aber in Sachen Liberalität und Menschenrechte sind wir glaub ich einen Schritt voraus.

anne-frank-01.jpg
Photo von This is Awkward

Anne Frank, das Tagebuch, erzählt die Geschichte der jüdischen Familie Frank, welche im 2. Weltkrieg auf der Flucht vor den Nazis in Amsterdam untertauchten. Das Buch ist sowohl Zeitdokument über den Holocaust, als auch ganz persönliches Tagebuch eines Teenagers. Der grössere Teil des Tagebuchs offenbart Gedanken und Gefühle, die mit dem Krieg nichts zu tun haben, in einer Zeit, in der dies für manche eben befremdend und unanständig wirkt. Allerdings sollte klar sein, dass es auch bei Anne um Leben und Tod ging, das Gefühlsleben eines Menschen kann jedoch nicht fortwährend auf Wut, Verzweiflung und Trauer begrenzt werden. Hinzu kommt, dass sie beinahe noch ein Kind war und über einen reichhaltigen kulturellen Hintergrund, und ein grosses Wissen verfügte. Wie kann man es ihr also verübeln, nicht den ganzen Tag nur an das Essen, das Sterben und den Krieg gedacht zu haben. Abgesehen davon dass dieses Buch ein spannendes Zeitzeugnis ist, fand ich aber dann genau diese Anne mit ihren ganz individuellen Wesenszügen und Gedanken sehr symphatisch. Das heisst ich habe sie sogar richtig liebgewonnen, vieles hat mich an meine eigene Jugend erinnert. So sammelt sie beispielsweise Bilder von Filmstars, macht sich Gedanken über die erste Liebe, leidet unter Selbstzweifeln, revoluzzert gegen die Eltern, usw.. Verdammt, es ist schon Jammerschade, dass Anne den Krieg nicht überlebt hat, denn sie wäre bestimmt eine grossartige Persönlichkeit und Schriftstellerin geworden. So wie dieses Mädchen mit ihren gerade mal vierzehn Jahren schreibt, ist sehr, sehr beeindruckend. Allerdings schrieb sie das Tagebuch zweimal und korrigierte es wohl immer wieder, Zeit dazu hatte sie im Hinterhaus aber ja zur Genüge. Alles in Allem ein hochspannendes „Lesevergnügen“, und ….Anne, du warst ein super Mädchen, R.I.P.



Wassermusik
September 18, 2007, 9:06 pm
Filed under: books

gazelle.jpg
Photo courtesy of M. Begrich www.flickr.com/photos/rishon-lezion

Was ist wohl gefährlicher, das Afrika, oder das London des 19.Jahrhunderts. Boyle schildert beide gleichermassen als unberechenbare Hexenkessel, in denen seine Protagonisten die unglaublichsten Abenteuer erleben. Entdecker Mungo Park in Begleitung eines ehemaligen Sklaven im unerforschten, hitzigen Afrika, Betrüger Ned Rise im Mief der Grosstadt London. Die Episoden in Afrika und London sind ein actionreiches, aberwitziges Vergnügen, gespickt mit kuriosen, absurden und komischen Einfällen. Eine dritte, etwas ruhigere aber ebenso interessante Geschichte, spielt in Schottland. Sie handelt von Mungo Parks Geliebten und späteren Frau Ailie Anderson. Boyle verwebt diese drei Geschichten zu einem wundervollen Ganzen, und pendelt dabei geschickt zwischen den Handlungsebenen. Mungo Parks Reiseberichte, “Travels in the Interior of Africa” (1803) bildeten die Grundlage für T.C. Boyles ersten Roman. In einem Vorwort bemerkt er aber: “Ich habe den historischen Hintergrund aus der Freude und Faszination genutzt, die er mir bereitete, keinesfalls aber in dem Wunsch, die darin festgehaltenen Ereignisse genauestens zu rekonstruieren.”
Charme, Freude und Faszination versprüht auch Boyles Roman.